7. Mai 2025 | Franziska Widmer
Das biblische Gleichnis «vom verlorenen Sohn» wird auch oft «der barmherzige Vater» genannt. Es ist die Geschichte von zwei Brüdern. Der jüngere nimmt sein Erbe und verprasst es in der Fremde. Am Schluss findet er wieder nach Hause und wird vom Vater herzlich aufgenommen. Für mich stimmt der zweite Titel nicht, denn auch am Schluss der Geschichte gibt es einen Sohn, der verloren ist und sich ausgeschlossen fühlt.
Der ältere Sohn ist der verlorene. Für ihn gibt es kein «Happy End». Die Sehnsucht nach Zuwendung, gesehen und anerkannt zu werden, treibt den älteren Sohn in die Einsamkeit. So viel hat er gearbeitet, so pflichtbewusst sein Tagwerk getan, so viel Mühe hat er sich gemacht… und keiner holt ihn fürs Fest vom Feld?! Für ihn ist das eine weitere Bestätigung, dass er vom Vater nicht geliebt wird. Er ist bitter enttäuscht und kann sich weder an der Rückkehr des jüngeren Bruders freuen noch auf diesen zugehen.
Der Vater sieht die versteckte Not nicht und appelliert an die Vernunft seines älteren Sohnes. Doch wird dieser Heilungsprozess weit mehr als ein paar nette Worte benötigen. Der Vater und der jüngere Bruder werden dem älteren Sohn mit vielen Taten zeigen müssen, dass er ihnen wichtig ist, dass sie ihn als Familienmitglied und nicht als Knecht bei sich haben wollen. Solange der ältere Sohn weder Geborgenheit empfindet noch Vertrauen zu seinen Angehörigen hat, wird er ein «verlorener Sohn» sein.
Zum Nachlesen: Lukas 15, 11-32
Ein Beitrag von:

Franziska Widmer
Pfarreiassistentin